Lettlandreise September 2001



Eine Reise in die Vergangenheit: Die Suche nach dem Grab meines Großvaters


5. Tag: Donnerstag, 13. September 2001


Es regnete noch immer. Zum Glück aber nicht mehr so stark wie gestern. Ernst und Manfred kamen um 9:00 Uhr zusammen mit Herrn Millers und dem Landvermesser nach Seski, um mich abzuholen. Es ging dann direkt nach Slampe zur Zemgales Vidusskola. Dort hatte uns Herr Millers Tags zuvor bereits angekündigt. Ernst und Manfred kannten die Schule bereits von ihrem Besuch im Jahre 1995. Manfred hatte damals zwischen einer Schule in seinem damaligen Wohnort Rüthen und dieser Schule eine, noch immer gut funktionierende Partnerschaft vermittelt. Der Empfang fiel dann auch dementsprechend herzlich aus. Der Direktor, Herr Vladimirs Skuja, sowie die Deutschlehrerin, Frau Daina Krastina luden uns zuerst - wie eigentlich überall - zu Kaffee und Kuchen ein, bevor sie uns die Schule zeigten.

Gegen 10:30 Uhr fuhren wir dann weiter über Tukkums, wo wir den Landvermesser absetzten, der hier zu Hause war.

In der Sporthalle in Talsi trafen wir uns dann mit meinem Freund Richard Kalnins. Richard kenne ich schon seit über einem Jahr. Er ist ein guter Bekannter von Herrn Osvalds Grandmanis, der bis 1941 den Hof Gibelas bewohnte. Gibelas lag ja nur wenige hundert Meter von der Stelle entfernt, bei der mein Großvater als vermisst gemeldet wurde. Die Anschrift von Herrn Grandmanis erhielt ich wiederum von Frau Agija Novicka, der Bürgermeisterin von Dzukste. Sie meinte damals, dass mir Herr Grandmanis eventuell weiter helfen könnte. Also schrieb ich dann auch noch an Herrn Grandmanis, der meinen Brief wieder an Richard weiter gab, da dieser recht gut Deutsch kann. Und so schloss sich der Kreis und ich korrespondierte dann nur noch mit Richard, was auch immer sehr gut klappte. Richard musste ebenso wie Herr Grandmanis viele Jahre in einem Arbeitslager in Sibirien verbringen. Und nachdem er nun Rentner ist, arbeitet er immer noch in "seiner" Sporthalle.

Richard begleitete uns dann nach Valdemarpils, wo Ernst während seiner Ausbildung in der alten Schule untergebracht war.
Wieder zurück in Talsi, gingen wir noch in einem gemütlichen Lokal essen. Nach unserem Abschied von Richard fuhren wir wieder Richtung "Heimat", also Richtung Lestene, wo wir uns bei Frau Lerche gegen 17:00 Uhr mit Karlis treffen wollten.

Herr Millers machte dann noch unterwegs den Vorschlag, das Schloss Jaunmoku Pils zu besichtigen, was wir dann auch taten. Es ist ein wirklich schönes Anwesen, in dem auch ein kleines Museum untergebracht ist. Nach ca. einer halben Stunde Aufenthalt, setzten wir uns wieder in Bewegung. Da wir gut in der Zeit lagen, machten wir noch einen kleinen Umweg über Jaunpils. In dem dortigen kleinen Schloss lag Ernst im Januar 1945 im Lazarett, bevor er dann nach Deutschland ausgeschifft wurde.

Um 17:15 Uhr trafen wir bei Frau Lerche ein. Karlis war noch nicht da und so befragten wir Guntis, den Mann von Frau Lerche, über den alten Friedhof von Lestene. Dort sollen angeblich Gefallene aus dem Gebiet Paugibelas nach dem Krieg (im Mai 1945) von Zivilisten begraben worden sein. Man sagte sowohl auf- als auch außerhalb des Friedhofsgeländes.

Wir fassten dann den Entschluss, schnell einmal dorthin zu fahren, da Karlis ja noch immer nicht angekommen war. Und so fuhren wir an der Kirche in Lestene vorbei, Richtung Jaunpils. Nach ca. 1,5 km bogen wir links ab, an dem Hof Puji vorbei, in den Wald. Dort fanden wir dann auch tatsächlich einen großen, alten Friedhof. Ob es hier tatsächlich Soldatengräber gibt, ist heute oberflächlich leider nicht mehr zu erkennen. Sollten allerdings die Ausführungen stimmen, die mir Richard Kalnins schon vor längerer Zeit geschrieben hatte, so ruhen auch hier viele deutsche Soldaten. Nach ausführlicher Besichtigung fuhren wir wieder nach Lestene zurück, wo auch mittlerweile Karlis mit seiner Frau Daiga eingetroffen war.
Wir verteilten uns dann auf zwei Autos und fuhren zu Frau Elisabete Jansone, auf den Hof Zagatas, der zwischen Dzukste und Lestene lag. Auch bei dieser Familie war der Empfang herzlich. Frau Jansone war bereits 85 Jahre alt und bewohnte noch bis zum Jahre 1954 den Hof Paugibelas-Snikeri. Dieser lag ja nur wenige Meter von meiner gesuchten Stelle entfernt. Sie berichtete uns dann, dass sie bereits im Oktober 1944 ihren Hof verlassen musste. Da aber nichts geschah, gingen sie zu ihren Häusern zurück. Am 23.12.1944 mussten sie dann erneut die Gegend verlassen. In der Nacht zum 24.12.1944 gab es Luftangriffe und Artilleriefeuer. Am 24.12. ging sie dann ein letztes Mal zum Hof, um die Hunde abzuholen. Trotz Kälte und Schnee, sei die Erde schwarz gewesen. Einige deutsche Soldaten hätten noch Fernsprechleitungen verlegt.

Frau Jansone kehrte erst wieder am 17. Mai auf ihren, noch halbwegs intakten Hof zurück. Es lagen noch immer viele deutsche und russische Soldaten auf den Feldern. Man bestattete sie an Ort und Stelle. In diesem Gebiet lagen damals über 60 abgeschossene russische Panzer umher. Es war sehr ergreifend, den Ausführungen dieser Zeitzeugin zuzuhören.

Ein interessanter und aufschlussreicher Tag neigte sich dem Ende. Auch das Wetter spielte einigermaßen mit. Ab dem Nachmittag blieb es weitgehend trocken und ab und zu zeigte sich sogar einmal die Sonne.



© Michael Molter

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