Geboren am 16.04.1926 in St. Marienkirchen, Hackenbuch 44. Volksschulbesuch vom Mai 1932 bis Mai 1939. Am Nikolaustag 1938 kam ich schon zum Daller (Metzgerei) in St. Marienkirchen, bis Mai 1939 musste ich nebenbei noch in die Schule gehen. Am 13. März 1938 marschierte Adolf Hitler in Österreich ein. Ich musste schon sehr viel arbeiten beim Daller, es war ja Krieg, die Männer waren alle eingerückt zum Kriegsdienst. Am 31. 0ktober 1943 musste ich selber einrücken zur Waffen-SS nach Wiesbaden, Nachrichtenabteilung 2 – ich war 17½ Jahre! Am nächsten Tag musste ich von Wiesbaden nach Nürnberg zurückfahren wegen Platzmangel, Barackenlager war meine Unterkunft, nach einer Woche bekam ich erst eine Uniform! Dann ging die Ausbildung erst richtig los, Fernsprechausbildung und auch viel Blödsinn aus unserer Sicht. In Nürnberg war ich vom 2. Nov. 1943 bis Jänner 1944, dann wurde meine Abteilung nach Sterzing (Vipiteno) in Südtirol verlegt. Dort ging die Ausbildung wieder weiter in den Bergen Südtirols, es waren zwei Kasernen dort. Zu Friedenszeit wäre es sicher sehr schön in Sterzing, die schönen Berge und kleinen Kirchlein. Wenn Fliegeralarm war, mussten wir uns in den Bergen verteilen, da hatten wir noch die schönsten Zeiten, oft auch einen halben Tag lang, wenn kein Flieger kam. Bei den zwei Kasernen in Sterzing war nämlich kein Luftschutzkeller. Am 15. März 1944 wurden wir in Viehwagons verladen, 70 Kameraden, lauter junge Burschen, vorher bekamen wir noch die Blutgruppe im linken Oberarm eintätowiert (A). Dann ging es ab Richtung Russland, ca. 50 Kameraden kamen nach Frankreich, ich hatte eben das Pech, nach Russland zu kommen.
Wir fuhren über Polen, da kann ich mich noch erinnern, an die Frontleitstelle Bromberg, da tranken wir noch ein schwarzes Bier! Am 1. April 1944 kamen wir bei Ostrow (Ostriv, Ukraine) an, einen halben Monat haben wir im Viehwaggon verbracht! Vom Bahnhof in Ostrow wurden wir mit LKWs zur Kompanie gebracht, SS-Nachrichtenabteilung 19 (Latvija), das war bei Opotschka (Oblast Pskow, Ru.), ca. 2 km hinter der Front, ein Russendorf! Unsere Unterkunft in der ersten Nacht war ein Holzhaus mit Strohdach und Lehmboden - da bekamen wir die ersten Läuse, und keiner von uns Burschen hat zuvor eine Laus gekannt. Geschlafen hatten wir die ganze Nacht nicht, einer den anderen blöd angeschaut, an der Front vorne war auch viel Schießerei. Ein paar Mal gingen wir heraus aus unserer Bude, da sahen wir vorne wie die Leuchtkugeln in die Luft flogen. Da lief es uns ganz kalt über den Rücken. Am Morgen mussten wir antreten, da wurden wir gefragt, wohin wir uns melden, zum Drosch (Pferdekutscher), Gerätewart, Kraftfahrer und noch verschiedenes. Ich meldete mich zu den Kraftfahrern, wir waren sechs und wir kamen in ein Russendorf zur Fahrschule. Am 2. April 1944 begann der Fahrunterricht, wir hatten damals keine Ahnung von Auto und Motor. Unser Fahrschullehrer war ein Lette. Am 18. Mai 1944 mussten wir die Prüfung machen. Am 16. April 1944 wurde ich 18 Jahre alt. Nach abgelegter Prüfung kamen wir zur Kompanie zurück. Jeder bekam ein Bautruppfahrzeug. Ich bekam einen Opel Blitz 2,5t. Dann kamen wir zum Einsatz. Meine Pflicht war, das Fahrzeug in Ordnung zu halten und immer gut zu tarnen. Ein paar Russendörfer weiß ich noch (1944): Aloin, Ponomarevo [??????????], Mitwodewo, Schernowitsch - es gab dort große Weizenfelder.
Meine Arbeit war Fahrzeugpflege, aber es dauerte nicht lange, denn der Russe brach wieder durch und wir mussten wieder zurück. Hinter uns brannten die Russendörfer, zwei Brücken gingen in die Luft. Es war Anfang September 1944, Mein Fernsprechtrupp war beim Leitungsbau. Ich wartete auf einer Stelle mit meinem Fahrzeug auf sie, mein Auto war gut getarnt, ich stand neben dem Fahrzeug, da pfiffen einige Kugeln neben mir vorbei, da dachte ich mir, „da stimmt was nicht“ - sprang schnell ins Auto und setzte meinen Stahlhelm auf und dahin ging es. In der Nähe war eine Brücke, da hatte ich noch großes Glück gehabt, kaum gut drüber, ging sie schon in die Luft. Von meinem Fernsprechtrupp hatte ich nichts mehr erfahren, die hatte sicher der Russe geschnappt. Bei der Kompanie waren wir schon als vermisst gemeldet. Die Stellung konnte nicht mehr gehalten werden, der Russe hatte die Übermacht, er drängte uns nach Lettland zurück.
Ende September waren wir eingekesselt, der sogenannte Kurland-Kessel. Von Oktober an musste ich den Kompaniechef fahren, mit einem VW-Schwimmwagen. Mit Obersturmführer Ernst Schwarze ging es mir gar nicht so schlecht. Glück hatte ich auch öfters gehabt, nachts musste ich ja viel fahren, aber ohne Licht wegen der Flieger. Im November 1944 kam der Befehl, unsere Division sollte verschifft werden nach Riga, Riga-Strand. Aber leider, es kam anders, wir mussten einen neuen Frontabschnitt übernehmen, die Freude war damals ins Wasser gefallen. Der Frontabschnitt lag in der Nähe von Jaunpils, Kalnaswiki. Zu Weihnachten war ich in Lestene, hier lag der Divisionsstab, da ging es ziemlich lebhaft zu. Von den Russen waren wir unter Beschuss, da hatte ich ein paarmal großes Glück gehabt.
Unsere Unterkunft war eine Schule, es war ziemlich kalt und es gab viel Schnee dort in der Gegend. Im März 1945 bekam ich die Gelbsucht, ich war ca. drei Wochen im Truppenrevier. Anschließend kam ich wieder zur Kompanie und war bis Kriegsende bei Ernst Schwarze und Adolf Kellinger [?2016, Langenzersdorf] als Fahrer. Zu Ostern waren wir bei einem Lettenbauern im Quartier. Nachher ging es wieder weiter zurück, wir wurden immer näher zusammengedrängt. Heimschreiben konnten wir nur noch per Flugpost. Meine Mutter bekam im April 1945 die letzte Post von mir. Heimkehr 26. Okt. 1949. Am 8. Mai 1945 um 14 Uhr war im Kurland-Kessel Waffenstillstand, der Krieg war für uns aus. Abteilungskommandeur Hauptsturmführer (Heinz) Gosepath hielt noch eine kurze Ansprache. „Vom Eid seid ihr befreit und rette sich ein jeder, wie er sich am besten retten kann.“ Das waren seine Abschiedsworte. Wir alle schauten uns damals verzweifelt an, wohin? Auf der einen Seite das Meer, auf der anderen Seite die Russen. Schwarze, Kellinger und ich fuhren mit weiteren fünf Kameraden bis zum Abend noch weiter zurück, ließen aber dann die Autos stehen. Wir nahmen uns noch das Wichtigste mit und ab ging es in den Wald, somit ins Ungewisse. Wir gingen die ganze Nacht, bei Tag hielten wir uns versteckt. Es war da oben in Lettland sehr sumpfig und nass zu dieser Jahreszeit. Zwei Nächte waren wir schon marschiert, jeder war auch ziemlich nass an den Beinen. Es war Sonntag, der 10. Mai 1945. Wir waren damals alle acht etwas leichtsinnig gewesen. Zur Mittagszeit krochen wir von unserem Versteck heraus und gingen zu einer Waldschneise, da lachte die Sonne herein. Wir zogen Schuhwerk und Socken aus, um uns etwas zu trocknen. Zur Sicherheit stellten wir einen Wachtposten auf. aber trotzdem hatte uns der Russe überfallen, zum Glück kamen wir noch davon. Zick-Zack ging es zwischen den Waldbäumen dahin und in ein Dickicht hinein. Wie durch ein Wunder waren wir drei beisammen, Kellinger, Schwarze und ich. Von den anderen erfuhren wir nichts mehr. Da oben in Lettland durchkämmten die Russen nach Kriegsende alle Wälder, sie wussten genau, dass sich die SS-Einheiten im Wald aufhielten. Jeder hatte damals Angst vor den Russen. Die Wehrmacht hatte sich geschlossen den Russen ergeben. Wir drei schlugen uns damals durch zum Lettenbauern, wo wir zu Ostern unser Quartier hatten. Wieder gingen wir bei Nacht, tagsüber hatten wir uns wieder im Waldboden vergraben. Am 17. Mai 1945, bevor es Tag wurde, schlichen wir uns zum Gehöft heran. Wir waren total erschöpft und hungrig. Da wir länger als eine Woche in der Wildnis wie eine Wildkatze herumirrten, sahen wir auch dementsprechend aus. Vollbärtig wie wir waren, klopften wir ein paarmal an ein Fenster. Da machte der Bauer Licht und öffnete uns die Haustür. Zuerst erkannte er uns nicht gleich, was kein Wunder war, wie wir aussahen. Die Frau machte gleich Feuer im Ofen. Wir bekamen heiße Milch und Brot. Anschließend fragten wir, ob wir nicht bei ihnen bleiben könnten. Er gab uns zur Antwort „NEIN", denn bei Tag kämen die Russen immer her und das wäre viel zu gefährlich, wenn er uns verstecken würde. Wir sahen das ein, bedankten uns noch einmal für alles und verabschiedeten uns. Wir gingen wieder in den Wald zurück und suchten uns einen Erdbunker, wo wir aber nicht lange drinnen waren. So gegen Mittag krachte es draußen, schon ging die Falltür auf, und zwei Esten mit angehaltener MP (Maschinenpistole) sprangen auf uns herein. Sie untersuchten uns gleich wegen Waffen. Schwarze hatte seine Pistole, bevor sie hereinkamen, schon auf den Tisch gelegt. Sie hatten sie gleich geschnappt und wir drei "Hansln" waren gefangen. Wir mussten vor ihnen hergehen. Hinter uns die zwei Esten mit angehaltener Maschinenpistole. Man kann sich gar nicht vorstellen was das für ein Gefühl war. Aber ich müsste Lügen, geschlagen haben sie uns nicht. Sie brachten uns zu demselben Bauern, bei dem wir morgens waren, das war für uns sehr peinlich, wir mussten tun wie Fremde. Wir bekamen von der Lettenfamilie noch ein Mittagsessen einen Schweinebraten. Die zwei Esten waren Soldaten der Roten Armee. Der Lettenbauer konnte ganz gut deutsch, was ihm die Esten sagten, übersetzte er uns in deutscher Sprache. Nämlich, dass sie uns in einem Gefängnislager abliefern müssten. Es war noch immer der 17. Mai 1945. Wir nahmen Abschied von der Lettenfamilie und bedankten uns noch für das gute Essen. Das war der letzte Schweinebraten bis Ende 1949. Wir mussten einige Kilometer gehen bis zum Lager. Die erste Frage war gleich, bei welcher Division wir gewesen sind. Zur Sicherheit gaben wir damals Wehrmachtsdivision an, denn ein jeder hatte damals Angst vor den Russen. Das Dorf, in dem unser Lager war, hieß Obasmitza. Meine richtige Division war SS N. Abt. 19. Latvija. Wegen der Blutgruppe wussten die Russen damals noch nichts, sonst hätten wir uns nicht so leicht getan bei der Aufnahme. Einerseits waren wir auch froh, dass wir jetzt im Lager waren, es war sicherer. Die Lagerstärke war ca. 2.000 Gefangene wir waren zwei Tage dort. Dann mussten wir Richtung Mittau marschieren. Es waren ca. 60 km, wofür wir zwei Tage brauchten. Mittau war ein großes Sammellager, es waren ungefähr 15 bis 20.000 Kriegsgefangene dort. Schwarze, Kellinger und ich hielten immer fest zusammen, leider hieß es Ende Mai die Offiziere müssen nach Riga. Wir mussten von unserem Ernst Schwarze Abschied nehmen. Am 1. Juni 1945 wurden wir verladen, die Parole hieß "Richtung Heimat.“ Als Gefangener waren wir ja nur eine Nummer, die Transportstärke war 3.000 Mann. Am 3. Juni 1945 kamen wir in Leningrad an - so waren wir richtig daheim. Doch dann ging erst der Leidensweg an. Wir wurden von Viehwaggons ausgeladen, ein jeder schaute den anderen verzweifelt an. Sehen wir noch einmal unsere Heimat? Wir gaben aber die Hoffnung nicht auf, sonst hätten wir die Heimat wahrscheinlich nie mehr gesehen. Die erste Arbeit war damals da droben, Drei-Mann-Zelte zum Schlafen aufzubauen, denn es war ein sehr raues Klima. Bis September lagen wir im Freien. Das Gefangenenlager musste erst ausgebaut werden. Es standen nur die Außenmauern, da durch den Krieg alles vernichtet worden war. Wir Gefangene mussten zum Wiederaufbau die Arbeit leisten. Ende September konnten wir das Lager beziehen. Schlafräume für 70 bis 80 Mann und 3-Stock- Betten. Das Lager war ca. 15 km vor Leningrad, die Lagerstärke: ca. 3.000 (W. PI.) = Kriegsgefangene. Rund um das Lager 4-facher Stacheldraht und 4m hoch. Bei jedem Eck ein Wachturm, mit Posten und Scheinwerfer besetzt. Im Lager herrschte strenge Ordnung. Wir wurden in Kompanien eingeteilt, das heißt Arbeitsbrigaden. Die Lagerkommandanten waren ein Deutscher und ein Russe. Vor dem Lager war eine Wachstube, die war mit einem russischen Posten besetzt. Jeden Morgen mussten wir vor dem Lager in Sechserreihen antreten zur "Viehzählung.“ Die Lagerverpflegung bestand in einer Tagesration von 600 Gramm Brot («?????», kleba), Früh, Mittag und Abend ca. 4l Suppe, 1 gestrichener Esslöffel Zucker und Rauchwaren. Wir mussten verschiedene Arbeiten Leisten: Hausabbruch, Wiederaufbau, Flugplatzbau, Kanalbau usw.! Im Winter war es sehr kalt da oben in Leningrad, 30 bis 40 Grad minus und auch sonst ein sehr raues Klima. Ein Russe sagte einmal: 9 Monate Winter und 3 Monate kalt! Ab 35 Grad minus brauchten wir nicht mehr zur Arbeit. Bei der Wachstube wurden wir beim Hinaus- und Hineingehen gezählt. Jedes Arbeitskommando war bei Tag und Nacht bewacht. Die Posten hatten die Verantwortung für jeden Gefangenen beim Arbeitsplatz. Jeden Monat war ärztliche Untersuchung (Fleisch-Beschau), da wurden wir eingestuft in I, II oder III, der Arbeitsfähigkeit. Im April 1946 kamen sie erst darauf, dass ich bei der Waffen-SS war, ich hatte aber keinen Nachteil, denn in diesem Lager waren viele Kriegsgefangene, die bei der gefürchteten Truppe waren. Es gab aber auch Gefangenenlager, wo nur SS-Leute waren. Denen ging es noch schlimmer als uns und hatten noch strengere Bewachung. Tagaus, tagein mussten wir Arbeiten, nur einen Sonntag im Monat brauchten wir nicht zur Arbeit. Im Lager kam man aber auch nicht zur Ruhe – Entlausung, Wanzen-Vernichtung usw.! Die Gedanken weilten oft daheim, wie wird es meinen Lieben gehen? Ende 1946 durfte ich das erste Mal heim schreiben, eine Rot-Kreuz-Karte (Lebenszeichen!). 1947 bekam ich die erste Post von meiner Mutter, das war damals eine sehr große Freude. Fast zwei Jahre wusste sie nichts mehr von mir, ob ich noch lebe. Meine Mutter hat viel gebetet für mich, auch ich habe das Beten nicht vergessen in der Gefangenschaft, das war sicher nicht umsonst bei diesem schweren Leidensweg. Ich hatte auch immer einen Rosenkranz bei mir, Mutter schickte mir, als noch Krieg war, ein Paket, da gab sie einen Rosenkranz hinein. Ich hatte ihn während meiner ganzen Gefangenschaft bei mir. Die Russen machten öfter eine Kontrolle in den Lagern wegen Mordinstrumenten, Messer waren für Gefangene verboten, den Rosenkranz konnte ich immer behalten. Ostern 1947 kam der Befehl, alle sieben Zwetschken zusammenpacken und vor dem Lager in Fünfer-Reihen antreten Die Parole lautete, wir kämen in ein anderes Lager. Aber alles Lüge, wir mussten die Decken auseinandebreiten und unsere Habseligkeiten darauflegen. Dann ging die Kontrolle los. Im Lager machten die Russen auch Razzia in den Schlafräumen. Das dauerte so ziemlich einen halben Tag, sie sammelten drei große Körbe voll Messer ein, aber gefährliche, die Russen machten große Augen. Lagerstärke war 3.000 Gefangene. Ich hatte auch meinen Rosenkranz auf die Decke gelegt. Da sagte der Russe zum Dolmetscher „??? ?????? (sto takoji),“ das hieß zu deutsch: „Was ist das?“. Der Dolmetscher übersetzte ihm auf Russisch „Konfession,“ der Russe sagte darauf „?????? (charascho)“ in deutsch: „schon gut.“ Der Russe kannte ja den Rosenkranz nicht, ich durfte ihn behalten. Nachher konnten wir das Lager wieder beziehen. die Russen hatten große Angst vor den Kriegsgefangenen, deswegen machten sie öfter Razzia in den Lagern. Ein Russe sagte einmal, ein Deutscher kann aus nichts ein Maschinengewehr bauen. Im Sommer 1947 kam der Befehl, alle Österreicher kommen in ein Sammellager, wir mussten von den Deutschen Kameraden Abschied nehmen. Wir kamen nach Leningrad und mussten in einer Glühbirnenfabrik arbeiten, tagaus und tagein. Kellinger und ich hielten immer fest zusammen. Die Verpflegung war nicht viel anders als im Flugplatzlager 15 km vor Leningrad. Georg Brandstätter aus Tumeltsham war auch bei uns im Lager, er war im Krieg bei der Wehrmacht. In diesem Lager waren wir ca. 30 Mann, die bei der SS gewesen sind. Leningrad wäre eine sehr schöne Stadt, ich bin durch die Arbeitskommandos viel herumgekommen, die schönen Zwiebeltürme und die altertümlichen Bauten und Kirchen. Aber als Gefangener hat man ja nicht viel Lust für all das gehabt, wenn einem der Magen immer krachte. Vor Leningrad waren links und rechts noch die Panzersperren vom Krieg her zu sehen, große Betonklötze. Bei einem Kommando Friedhofabbruch war ich auch einmal dabei, von den Marmorsteinen wurde ein Denkmal hergestellt. Alte russische Frauen schlugen die Hände über dem Kopf zusammen. Schöne altertümliche Kapellen waren in diesem Friedhof von der Zarenzeit her. Die mussten wir auch niederreißen. Wir mussten auch solche Arbeit machen, als Ende Oktober 1947 ging die Parole im Lager um, dass gefangene Österreicher heimfahren dürfen und dass Anfang November die ärztliche Untersuchung sein sollte. Aber die bei der SS waren nicht dabei, denn wir hatten auf der Gesundheitskarte ein Zeichen, das bedeutete, dass wir nicht heimfahren dürfen mit diesem Transport. Adolf Kellinger und ich machten uns schon große Gedanken und Überlegungen damals. Wie stellen wir das an, damit wir mit dem Transport mitkommen. Einige Nächte konnten wir schon nicht mehr schlafen. Mit lauter Spekulieren kamen wir auf eine gute Idee. Georg Brandstätter war nicht bei der SS, ich hatte ihn gebeten, ob er nicht für mich zur Untersuchung gehen wolle. Es war eine brandgefährliche Sache für ihn damals, vorerst zögerte er ziemlich stark, war auch zu verstehen, denn wenn jemand was bemerkt hätte, wäre für ihn die Heimreise ins Wasser gefallen. Aber Gott sei Dank klappte alles, er ist zweimal zur Untersuchung gegangen. Am 8. November 1947 wurden wir verladen, 1.200 Mann Transportstärke. Im Waggon damals hatte ich ein sehr ungutes Gefühl. Am 19. November kamen wir in Focsani (Fokschan), Rumänien an, Focsani war ein Durchgangslager mit Baracken. 200 Mann mussten auf einmal zur Entlausung, also duschen. Da wurde wieder kontrolliert wegen der Blutgruppe. Wir mussten im Gänsemarsch mit den Händen in der Höhe hineingehen. Und da hatte ich ganz großes Pech. Es war Sonntag, der 20. November 1947, blauer Himmel. Man kann sich niemals vorstellen, wer es nicht selbst erlebt hat, wie mir damals zumute war. Von meinem Transport waren wir drei, die nicht heimfahren durften. Wir waren alle schon sehr stark abgemagert, ich wog nur noch 49 kg. Einer von uns hatte am linken Oberarm eine Narbe, war aber bei der Wehrmacht, die Bewachung glaubte ihm nicht, SS sagten sie. Ich selber hatte ein Foto gesehen von der Wehrmacht, wo er abgebildet war. Der Grund dafür war, viele brannten sich die Blutgruppe heraus, und die Narbe blieb. Dem einen Kameraden gingen die Nerven durch, er hatte sich in der Latrine (WC) aufgehängt. Wir waren sechs Pechvögel in einer Baracke und wurden streng bewacht. Wegen diesem Vorfall kamen wir in einen Erdbunker. Es war der 21. November. In diesem Bunker war es wie in einer Tropfsteinhöhle mit einem Lehmboden. Es war unser Schlafraum, mit einer schweren Falltüre wurde der Bunker verschlossen. Tag für Tag wurden wir mehr, denn von allen Richtungen kamen damals aus Russland die Transporte mit den Kriegsgefangenen nach Focsani, und von jedem Transport fischten sie wieder einige heraus. Es war eine schrecklich schwere Zeit in diesem Bunker, man kann es nicht beschreiben. Vor Weihnachten durften wir raus. Zum Schluss waren wir ca. 60 Mann in diesem Erdloch. In einer Ecke standen zwei große Kübel für die große und kleine Seite, da war am Morgen immer viel mehr als dicke Luft drinnen. Vier Mann mussten, in der Früh mit Bewachung, die Kübeln entleeren. Früh, Mittag und am Abend bekamen wir grüne Tomatensuppe und 600 g Brot. Wir wurden nun im Lager verteilt, Transporte kamen nicht mehr aus Russland. Es waren auch 200 deutsche Gefangene in diesem Lager von Focsani, sie mussten die Betreuung übernehmen. Es war eine Bäckerei, Tischlerei, Schmiede und Schlosserei vorhanden. Da ging es uns dann schon besser, wie in der Hölle drinnen. Die Verpflegung war jetzt auch viel besser als in Russland, von da an ging es wieder aufwärts. Schnell hatten wir uns so halbwegs erholt. Mich hatte der Gedanke aufrechterhalten, hätte ich nicht geschwindelt, wäre ich noch in Russland gewesen. Das Beten half auch sehr viel, denn die Hoffnung durfte man nie aufgeben, sonst hätte man die Heimat nicht wieder gesehen. Den Kameraden in diesem Lager ging es ja gut, sie hatten gute Verpflegung und hatten mit den Rumänen gute Verbindung, wie wir erfuhren auch viel „Händele-Schächerle.“ Sie machten große Augen, als wir ihnen erzählten, wie viel Hunger wir in Russland erleiden mussten. Hunger ist ja gar nicht das richtige Wort dafür, aber der Mensch hält viel aus, das haben wir am eigenen Körper erlebt, wenn für einem die Zeit noch nicht aus ist. Aber viele Tausende Kameraden hatten ihre Heimat nicht mehr gesehen, die in den Massengräbern ruhen. In jedem Lager sind viele gestorben, durch verschiedene Krankheiten: Typhus, Ruhr, Malaria, Unterernährung, usw. Gott sei Dank hatte ich immer einen Schutzengel, diesen brauchte man wohl. Weihnachten 1947 war ich noch in Focsani, die Gedanken waren damals viel zu Hause, im schönen Heimatland Österreich. Mitte Jänner 1948 kamen wir nach Pleßti (Ploie?ti), unsere 30 Mann, ca. 35 km von Focsani entfernt, in ein Lager. Dort waren auch 200 Gefangene. Hier war ein großer Autofriedhof, da wurden wir zur Arbeit gebraucht. Zu Kriegsende wurden diese Fahrzeuge zusammengeholt, wir mussten Demontage, Entrostung, Montage und noch verschiedene Arbeiten verrichten. Die Verpflegung war hier auch besser als in Russland. Diese Kameraden dort waren auch lauter Reichsdeutsche. Zu Frühlingsanfang wurden diese Lager geräumt, wir kamen mit den Deutschen wieder nach Focsani zurück, denn die Parole lautete: Die Deutschen werden über Russland entlassen. Am 12. Mai 1948 wurden wir mit den deutschen Kameraden in Viehwaggons verladen, wohin, das war immer geheim. Als Gefangener war man ja immer nur eine Nummer. Am 17. Mai 1948 kamen wir in Nikolaiev, Ukraine, Russland an (Kriegsgefangenenlager 126 Nikolajew). Da ging so richtig wieder die zweite Gefangenschaft los. Es waren dort zwei Lager mit Gefangenen, ein Nord- und ein Süd-Lager, da wurden wir verteilt. Die Verpflegung war wieder schlechter als in Rumänien. Hier wurde Schiffbau und Wiederaufbau betrieben, wir mussten wieder Tag für Tag arbeiten gehen. Eine Bootshalle wurde gebaut, 30 m hoch. Verschiedene Betonarbeiten, das war alles Arbeit für uns Kriegsgefangene. Wir waren ganz nah am Meer. Schiffbau, das hatte ich damals das erste Mal gesehen. Auch einen Stapel, das war eine Eisenkonstruktion, darauf wurde das Schiff gebaut, bevor es ins Meer kam. Das nannte man Stapellauf, einen 30 m hohen fahrbaren Kran auf Schienen hatten die Russen zum Schiffbau. Nikolajew ist ein Sackbahnhof. So wurde es Weihnachten 1948 und ich war immer noch in Russland. Hoffentlich sind es die letzten, in der Gefangenschaft. Denn die Hoffnung hatten wir noch immer nicht aufgegeben. Besonders zu Weihnachten waren meine Gedanken daheim bei meinen Liebsten. Ja, die Gefangenschaft war eine harte 7eit, die vielen Durst, Wanzen, Entbehrungen, Hunger, Läuseplage und diese Ungewissheit brachten. Wann kommt endlich der Tag zur Heimkehr? Das Beten vergaß ich nie in dieser schweren Zeit und das war auch eine große Hilfe. Wir Gefangenen sagten öfters, jeder Schwerverbrecher daheim im Gefängnis hat es besser als wir und die wissen wenigstens, warum sie eingesperrt sind. Wir alle hatten unsere Pflicht getan im Krieg, das war das Hundsgemeine für uns Gefangene. Anfang Jänner 1949 bekam ich die Malaria und war zwei Wochen im Krankenrevier. Ich hatte hohes Fieber gehabt, alle drei Stunden bekam ich eine Spritze in den Hintern. Einen Tag und eine Nacht lang - eine richtige Rosskur. Ich konnte mich auf der Pritsche kaum noch umdrehen. Ende Jänner wurden die zwei Gefangenenlager geräumt. Von Nokolaiev kamen wir nach Odessa am schwarzen Meer. Dort war eine große Pflugfabrik [J. J. Höhn], eine Gießerei, Schleiferei und ein großer Spritzraum. Da mussten wir schwer arbeiten, ich war in der Schleiferei beschäftigt. In diesem Lager bekam ich die ersten Rubel ausbezahlt. Es war auch eine Kantine dort, da konnten wir uns etwas kaufen, eine kleine Zubuße zur Lagerverpflegung. Es waren dort viele Nationalitäten beisammen, auch Japaner waren unter uns. Kleine schwarzhaarige Männer, sie redeten sehr schnell. Am 12. Mai 1948 wurden wir in Odessa wieder verladen, wie die reinsten Schwerverbrecher. Wir alle dachten uns damals, die Heimat sehen wir nie mehr. Es war ein langer Lastenzug, vorne und hinten Scheinwerfer montiert, einige Wolfshunde, sehr strenge Bewachung, bei jedem Viehwaggon ein Schloss davor, bei den Fenstern zwei- und dreifacher Stacheldraht. So nobel durften wir Zugfahren. Mitte Mai kamen wir in Stalino an (seit 1961 Donezk), das war wieder noch weiter in Russland drinnen. Mitten in der Stadt war ein Peroda-Haufen, Kohlenbergwerk. Gott sei Dank, ich hatte immer Glück, da ich in einem Bergbau nie drinnen war. Wir mussten wieder Tag für Tag arbeiten gehen. Wiederaufbau, Wohnungsbauten, E-Werk - wir mussten Wiedergutmachung leisten, denn wir Gefangene waren ja billige Arbeitskräfte. Wir sagten oft, wann wird endlich der Tag kommen, dass wir wieder freie Menschen sind. Daheim achtet man ja die Freiheit gar nicht so, da ist es selbstverständlich für jeden. Und in der Not erkennt man erst den Charakter eines Menschen. Das hat sich in der Gefangenschaft oft bewiesen. Es waren seit 1946 täglich Vernehmungen in den Lagern. Es war eine kleine Wachstube eingerichtet, zwei russische Offiziere und ein Dolmetscher befragten uns, bei welcher Division, Frontabschnitt wir waren. In welchen Dörfern wie viel Russen wir erschossen haben und noch so verschiedene Dinge. Ich selber hatte keinen Nachteil, ich gab meine Einheit an, Nachrichtenabteilung 19. Latvija, Fernsprechkompanie als Kraftfahrer. Aber viele Kameraden wurden mit den Gewehrkolben geschlagen, einige auch verurteilt, 10 bis 15 Jahre. Im Lager waren auch Spitzel bei den Gefangenen und auch viele Angeber, Sprechmeister, so viele Russen hätten sie erschossen, Dörfer angezündet, usw. So mancher Kamerad wurde um einen halben Liter Suppe verkauft und verraten. Da hatte man sich in Acht nehmen müssen, nicht zu viel plaudern. In Stalino waren große Felder mit Mais und Weizen. Da hatte ich das erste Mal einen Mähdrescher gesehen. Neben unserer Baustelle war ein Maisfeld, da konnten wir uns öfter Kolben ergattern zum Fraß - wenn die Luft rein war. Wir wurden alle Tage zur Arbeit getrieben, wie die Schafe, bis endlich der Tag herbeikam: TRANSPORT ZUR HEIMKEHR. Anfang Oktober 1949 wurde im Lager gemunkelt, dass wir am 8. Oktober verladen werden, wir waren aber alle sehr misstrauisch. Die Parole aber stimmte doch. Am 8. Oktober wurden wir verladen in Viehwaggons, da machten sie jetzt keine Kontrolle mehr. Zur Transportverpflegung gab es meistens Trockenbrot (hart) und geräucherten Trockenfisch. Einmal am Tag gab es eine warme Suppe, 1 Esslöffel Zucker und Tee. Das war die zweite Entlassung für mich aus der UdSSR. Am 20. Oktober 1949 kamen wir in Mamrosiget (Ungarn) an. Dort war das Durchgangslager für Spätheimkehrer. Ein paar Tage waren wir noch dort, Entlausung und Duschen, sonst hätten wir auch noch Läuse heim gebracht. Am 24. Oktober 1949 wurden wir wieder verladen, aber nicht mehr in Viehwaggons, wie wir es gewohnt waren als Gefangene, sondern in einem Personenzug Richtung Wiener Neustadt. Hier wurden wir Spätheimkehrer feierlich empfangen. Nach langer schwerer Zeit bekamen wir das erste Mal wieder Gulasch mit Knödel. Das war für uns ein Festessen. Noch etwas muss ich niederschreiben: Als wir die ersten Glocken hörten auf österreichischem Boden, da standen uns die Tränen in den Augen. Von Wiener Neustadt fuhren wir über Wien Westbahnhof nach Linz, um Mitternacht kamen wir in Linz an und wir wurden auch wieder feierlich empfangen. Die Geschwister Buchberger sangen sehr schöne Lieder. Wir bekamen wieder ein Essen, Geschenke und etwas Geld. Da traf ich zwei Kameraden, Fischer Franz von Mitterding und Josef Wurzer von Suben. Als die Feierlichkeiten zu Ende waren, gingen wir drei zum Bahnhof und erkundigten uns dort, wann der nächste Zug Richtung Ried fährt. Das war schon ein tolles Gefühl, Zug fahren ohne Bewachung, wieder freie Menschen zu sein, nach so langer Zeit. In Attnang-Puchheim mussten wir umsteigen. Dann ging es weiter Richtung Ried im Innkreis. In Antiesenhofen stieg Franz Fischer aus dem Zug. Um 8 Uhr früh kamen wir in Suben an, Endstation für Josef Wurzer und Karl Stadler. Es war der 26. Oktober 1949, wir beide verabschiedeten uns in Etzelshofen. Er ging Richtung Dorf, denn seine Eltern wohnten im Bahnwächterhäuschen. Es war damals ganz dichter Nebel, man sah keine 20 m weit. Ich schlug Richtung Rehwinkel ein, kam aber bei den Dorfer Eichen an. Durch den Lindetwald ging es weiter Richtung Lindet Hackenbuch 44 St. Marienkirchen/Schärding. Beim Dichtlholz kam die Hingsamer Resi mit Hund und Leiterwagerl daher. Ich sagte zu ihr, dass ich der "Altmann" Karl bin, sie erkannte mich aber nicht, war aber auch verständlich. Sie rannte schnell nach Hause und gab Nachricht von mir. Meine Mutter war zufällig beim Hingsamer (Krämerei), als die Resi zurückkam. So war die Heimkehr nach sechs Jahren. Ich war vom 31. Oktober 1943 bis 26. Oktober 1949 keine Minute mehr daheim.
Karl Stadler
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