Mein Großvater Hermann Faul,
vermisst in Kurland seit dem 27. Dezember 1944



Hermann Faul
Name: Hermann Faul
Geb. Datum: 21.01.1909
Wohnort: Rothselberg/ Rheinl.-Pfalz
Dienstgrad: seit 31.01.1942 Gefreiter, zuletzt Obergefreiter
Erkennungsmarke: -233-2. Kp.Bau-Btl. 138
Feldpost.-Nr.: 17023 E
Vermisst seit: 27.12.1944
Ort: bei Paugibelas, ca. 4km südwestlich von Dzukste/ Kurland
Letzte Einheit: 4. (MG) Kompanie Grenadier-Regiment 322 der 281. Infanterie-Division


Skizze
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Diese handschriftliche Skizze war auf die Rückseite der Verlustmeldung gezeichnet, die ich von der Deutschen Dienststelle Berlin (WASt) erhielt. Sie zeigt genau die Stelle, wo mein Großvater von seinen Kameraden zum letzten Mal gesehen wurde.

Skizze
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Diese Karte zeigt die Gegend mit den Höfen südwestlich von Dzukste.



Bruveri

So sah das direkte Nachbargehöft Bruveri aus, das ca. 500m östlich von Paugibelas lag. Diese Aufnahme stammt aus dem Jahre 1931. So in etwa sollen die meisten Höfe in dieser Gegend ausgesehen haben.



Paugibelas

So sieht die Stelle in Kurland heute aus, wo die 3. Kurland-Schlacht tobte. Am Waldrand entlang, von rechts nach links befanden sich die Gehöfte Paugibelas, Vidini und Gibelas. Heute sieht man dort von diesen Höfen nichts mehr.


Hier wird mein Großvater seit dem 27. Dezember 1944 vermisst, sowie zwei weitere Soldaten des Grenadier-Regiments 322. Zwischen dem 26. und dem 28. Dezember 1944 sind dort noch weitere 6 Soldaten gefallen, die alle nicht geborgen werden konnten. 4 dieser Soldaten gehörten ebenfalls dem Grenadier-Regiment 322 an, einer der 3./schwere Heeres-Panzerjäger-Abteilung 666 und der andere Soldat der 6./Jäger-Regiment 24 (L). Fast alle fielen durch Artilleriegeschosstreffer.




Als ich im September 2001 in Lettland war, traf ich auch noch auf eine Zeitzeugin von damals. Die 85-jährige Frau lebt heute auf dem Gehöft Zagatas, das zwischen Dzukste und Lestene liegt. Sie bewohnte damals den Hof Paugibelas-Snikeri, der sich in unmittelbarer Nachbarschaft zu Paugibelas befand. Sie erzählte, dass die Bewohner der umliegenden Höfe die Gegend bereits im Oktober 1944 verlassen hatten. Da es aber in diesem Abschnitt ruhig blieb, kehrten sie wieder zu ihren Häusern zurück. Am 23. Dezember 1944 mussten sie erneut die Höfe verlassen. In der Nacht zum 24. Dezember gab es Luftangriffe und Artilleriefeuer. Frau Jansone - so heißt diese Frau - ging dann am 24. Dezember nochmals nach Paugibelas-Snikeri zurück, um die Hunde noch vom Hof zu holen. Obwohl es kalt war und Schnee lag, sei die Erde schwarz gewesen, umgepflügt von Bomben und Granaten. Einige deutsche Soldaten hätten zu dieser Zeit noch Fernsprechleitungen verlegt. Als sie davon sprach, hörte man, wie ihre Stimme zitterte. Die Erinnerungen an damals kamen wieder zu Tage.

Erst Mitte Mai kam sie wieder auf ihren Hof zurück. Das Haus sei noch einigermaßen bewohnbar gewesen. Es lagen noch immer gefallene deutsche und auch russische Soldaten umher. Da der Schnee schon lange geschmolzen war, mussten die Gefallenen so schnell wie möglich bestattet werden. Dies geschah an Ort und Stelle, wo es gerade möglich war. Ob in einem Graben oder einem Bombentrichter, wo sich eben die Gelegenheit dazu bot. Auch auf zivilen Friedhöfen sollen Gefallene aus dieser Gegend bestattet worden sein. Aber davon ist heute zumindest oberirdisch nichts mehr zu sehen. Gräber von gefallenen deutschen Soldaten wurden nach dem Krieg von den Russen eingeebnet und zerstört.

Ein anderer Mann, der ebenfalls in der Nähe von Paugibelas wohnte und zu diesem Zeitpunkt 12 Jahre alt war, berichtete mir, dass er nach dem Krieg auf einen abgeschossenen russischen Panzer geklettert war und die umherliegenden Panzerwracks zählte. In diesem Gebiet lagen über 60 abgeschossene Sowjetpanzer und nur ein zerstörtes deutsches Sturmgeschütz. Anscheinend kämpften die deutschen Infanteristen fast ausschließlich mit Nahkampfwaffen gegen die russische Übermacht. Es muss ein fürchterliches Gemetzel gewesen sein!

Diese Frau Jansone musste dann 1953 endgültig ihre Heimat verlassen. Dieses ganze Gebiet, das westlich der Strecke Dzukste - Pienava lag, wurde anschließend von den Russen bis in die sechziger Jahre hinein als Truppenübungsplatz verwendet. Und so rasselten erneut die Panzerketten über die Gefallenen hinweg...







Einweihung Gedenkstätte Paugibelas – 19.10.2019

Seit über 20 Jahren suche ich nach dem Grab meines Großvaters, der seit dem 27.12.1944 bei Paugibelas vermisst wird. Dies geschah während der 3. Kurland-Schlacht, ca. 3 km südwestlich von Dzukste/Lettland.

Schon als kleiner Junge hat mich sein Schicksal in den Bann gezogen. Es ließ mir keine Ruhe, dass niemand aus unserer Familie wusste was genau mit ihm passiert war.
Zu Beginn meiner Recherchen hätte ich nie für möglich gehalten, dass man nach all den Jahren doch noch so viele Informationen erhalten konnte. Viele Archive, Ämter und andere Quellen hatte ich angeschrieben und mit vielen alten Veteranen gesprochen. All das führte mich zum einem Ziel: Paugibelas!
Dieser Hof, wie auch all die anderen Häuser in dieser Gegend, existiert heute nicht mehr. Der Lauf der Zeit hat dieses Gebiet sehr verändert. Und dennoch sind die Häuser noch immer gegenwärtig – in Form von Steinhaufen, die mit der Zeit angesammelt wurden und die man am Rand der Wege findet.

Als ich vor 2 Jahren zusammen mit meinem guten Freund Klaus-Georg Schmidt wieder in Lettland war und wir den Todesort meines Großvaters bei Paugibelas wie immer besuchten, fiel mir der große Stein direkt am Weg in der Kurve ins Auge. Mir kam sofort der Gedanke, dass dies die geeignete Stelle für eine Gedenktafel wäre. Klaus und mich verbindet sehr viel. Auch sein Großvater ist in Lettland gefallen. Dieser hat in Saldus seine letzte Ruhestätte gefunden. Und das ist genau das, wonach ich schon seit 20 Jahren auf der Suche bin – die Ruhestätte meines Großvaters. Man braucht einfach einen Platz, an dem man an die gefallenen Angehörigen denken und um sie trauern kann.
So war für uns beide schnell klar, dass wir hier – wenn wir die Erlaubnis vom Grundstücksbesitzer bekommen sollten – eine Art Gedenkstätte für meinen Großvater und seine ebenfalls hier gefallenen Kameraden herrichten wollen. Nach einem anschließenden Besuch bei der Gemeindeverwaltung in Dzukste erhielten wir problemlos die Kontaktdaten des Grundstücksbesitzers. Ein kurzes Telefonat mit dem Herrn und die Erlaubnis war erteilt. Völlig problemlos und unbürokratisch!

Genau an dieser Stelle sind im Laufe der Kämpfe mindestens 10 Soldaten gefallen, bzw. wurden als vermisst gemeldet, was aber eigentlich das Gleiche bedeutet. Sie alle sind namentlich bekannt, aber sie konnten leider bedingt durch die Kämpfe nicht mehr geborgen und ordentlich begraben werden.
Es liegen noch tausende Soldaten in den Wäldern und auf den Feldern Kurlands begraben, deren Gräber bis heute unbekannt sind und die auch für alle Zeit unbekannt bleiben werden. Das ist leider mal so.

Wir dürfen unsere Toten nicht vergessen! Denn wenn wir sie vergessen, dann sind sie erst richtig tot!
Meinen Großvater konnte ich leider nie kennen lernen. Aber er ist und bleibt ein Teil von mir und meiner Familie. Ohne ihn würde es mich nicht geben. So ist auch ein Teil von mir für immer und ewig tief mit Lettland verbunden. Vielleicht war es vom Schicksal so gewollt, dass ich immer wissen wollte was mit ihm passiert ist und es mich deshalb immer wieder wie eine unbekannte Kraft nach Lettland zog und noch immer zieht. Vor genau 19 Jahren bin ich nun zum ersten Mal in Lettland gewesen und bin bis auf wenige Ausnahmen jedes Jahr in diesem schönen Land mit seinen hilfsbereiten Menschen. In Lettland kann man unbefangen über die Geschichte des Zweiten Weltkriegs erzählen, in Deutschland leider nicht.
Ich hoffe sehr, dass sich Lettland seine Traditionen und Bräuche und vor allem seinen Stolz bewahrt, denn diese schöne Land ist für mich schon zu einer zweiten Heimat geworden. Viele Freunde habe ich hier gefunden, auf die man sich immer verlassen kann.

Am 19. Oktober 2019 war es dann soweit. Unter Anteilnahme unserer lettischen Freunde weihten wir diese Gedenkstätte ein. Arnis Sablovskis als Vertreter der örtlichen Presse, sowie die Vorsitzende des Rates der Gemeinden Dzukste und Slampe, Frau Dace Pole, waren ebenfalls mit anwesend.

In einem kleinen Museum der Nachbargemeinde Lancenieki fand anschließend noch ein lockeres Beisammensein statt. Bei dieser Gelegenheit war Pfarrer Marcis Zeiferts aus Tukums anwesend, da er zur Einweihung vor Ort leider keine Zeit hatte. Er hielt eine Predigt in lettischer und deutscher Sprache.

Das Verständnis und die Hilfsbereitschaft der lettischen Bevölkerung in diesen Dingen ist außerordentlich! So etwas erlebt man nicht alle Tage, schon gar nicht in Deutschland.

Eine gute lettische Bekannte ließ mir kürzlich zum Abschluss ihres Briefes an mich folgende Worte zukommen: „Möge die Erde Lettlands ewig eine ruhige Bleibe für Deinen Großvater sein. Er ist zu einem Teil von Lettland geworden, unzertrennbar, von Lettlands Sonne erwärmt, von Lettlands Herbstregen beweint.“

Rothselberg im November 2019


Paugibelas

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© Michael Molter

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